Rückkehr in die Normalität durch feste Strukturen, individuelle Therapie und viel Zuwendung

 

13.10.2022

Etwas „schlägt auf den Magen“ oder „geht an die Nieren“ – Redewendungen, die in vielen Fällen wörtlich genommen werden können. Denn seelische Belastungen können häufig auch zu körperlichen und gesundheitlichen Problemen führen, die eigentlich auf die Psyche zurückzuführen sind. Davon betroffen können auch Kinder und Jugendliche sein. Und genau diese jungen Patienten stehen in der Psychosomatik der Kinderklinik am Klinikum Weiden im Mittelpunkt.

Tim (Name geändert) ist 16 Jahre alt und besucht die Realschule. Zu seinen ohnehin großen Prüfungsängsten kommen seit mehreren Wochen starke Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und eine Abgeschlagenheit – ein regelmäßiger Schulbesuch ist so nicht mehr möglich und Tim zieht sich auch sozial immer stärker zurück. Die Stimmung in der Familie wird zunehmend gereizter und bedrückter. Bei dem 16-Jährigen wird eine depressive Reaktion mit psychosomatischen Beschwerden festgestellt, doch trotz einer intensiven ambulanten Therapie zeigt sich keine Verbesserung. Auch ein regelmäßiger Schulbesuch ist weiterhin nicht möglich. Der niedergelassene Therapeut wendet sich an die Psychosomatik der Kinderklinik – kurz darauf wird Tim hier stationär aufgenommen.

Die 14-jährige Lena (Name geändert) gilt als gute Schülerin, ist sozial gut integriert – doch mit Beginn der Corona-Pandemie nehmen die Streitigkeiten in der Familie zu. Lena isst immer weniger, treibt zeitgleich aber immer exzessiver Sport. Sie nimmt stark ab und zieht sich immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurück, für sie dreht sich alles nur noch um kalorienarme Ernährung. Weil eine ambulante Psychotherapie nicht zu einer zwingend notwendigen Gewichtszunahme führt, wird auch bei ihr die Indikation für eine stationäre psychosomatische Therapie in Weiden gestellt.

Zwei wahre Fälle junger Patienten, die in der Psychosomatik der Kinderklinik am Klinikum Weiden behandelt und betreut werden. Fälle, die nicht selten sind und auf die man sich hier spezialisiert hat. „Befinden sich Kinder und Jugendliche mit ihren Familien in krisenhaften Situationen, sind Klärung, Sicherheit und Hilfestellung notwendig. Gemeinsam mit der Familie erarbeiten wir Lösungen und Strategien, um die Situation zu verbessern“, erklärt Dr. Eva Maria Haberl, Oberärztin in der Psychosomatik.

Grundlage jeder Therapie, die immer individuell auf die Persönlichkeit, die Erkrankung und die Beschwerden der Patienten zugeschnitten ist, ist der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum jeweiligen Kind / Jugendlichen und der Familie. In Einzeltherapien oder in Gruppen steht die Neugestaltung von Beziehungen ebenso im Fokus wie das Finden neuer Perspektiven und Verhaltensalternativen.

Behandelt werden dabei Kinder und Jugendliche bis zum einschließlich 18. Lebensjahr, die beispielsweise unter Essstörungen, chronischen Bauch- oder Kopfschmerzen, Ängsten und depressiven Verstimmungen, dissoziativen Störungen, chronischen körperlichen Erkrankungen mit assoziierten psychischen Problemen, Anpassungsstörungen oder Störungen der Ausscheidung leiden. Bei den Patienten erfolgt eine medizinische, psychologische sowie kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik, anhand der ein individuelles Therapieprogramm erstellt wird, das neben Kunst- und Musiktherapie auch Ergo- und Bewegungstherapie und in manchen Fällen auch Ernährungstherapie umfasst. Besonders wichtig ist immer das Einbeziehen des persönlichen Umfelds der Patienten, aber auch Schulunterricht oder die Bezugspflege mit pädagogischen und pflegerischen Angeboten. „Unsere jungen Patienten haben einen sehr strukturierten Tagesablauf mit einem festen Programm. In diesem Alltag werden sie engmaschig durch ein Pflege- und Erziehungsteam begleitet und unterstützt“, so Dr. Eva Maria Haberl. Der Tag beginnt immer mit einem gemeinsamen Frühstück, es folgen Gruppenzeit, Unterricht oder individuelle Therapien, aber auch aktive Freizeitgestaltung steht für die Patienten, die stationär in der Psychosomatik behandelt werden, auf dem Plan.

Das Behandlungsteam ist interdisziplinär, kommt also aus verschiedenen Bereichen. Dazu gehören Kinderärzte ebenso wie Kinder- und Jugendpsychiater, Diplom-Psychologen und Psychologische Psychotherapeuten, Sozialpädagogen, aber auch Kinderkrankenpflegekräfte, Erzieher, Kunst-, Musik- und Ergotherapeuten oder Diätassistenten. Insgesamt stehen für die Behandlung der Kinder und Jugendlichen acht stationäre Plätze zur Verfügung. „Vor jeder stationären Aufnahme steht ein ambulantes Vorgespräch, in dem zusammen mit dem Patienten und den Eltern der Grund und die Motivation für eine stationäre psychosomatische Behandlung geklärt werden“, so Dr. Fritz Schneble, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Weiden. 

Wie wichtig die Einrichtung ist, untermauert eine Langzeituntersuchung des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2018. Fast jedes fünfte Kind leidet demnach unter psychischen Auffälligkeiten wie beispielsweise emotionalen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten. „Das bedeutet nicht, dass jedes Kind automatisch erkrankt, aber fast ein Fünftel weist ein erhöhtes Risiko auf, psychisch zu erkranken. Wir wissen, dass es viele Krankheiten gibt, die durch seelische Belastungen begünstigt und verschlimmert werden und dass viele organische Erkrankungen einen seelischen Anteil haben. Und wir sind dafür da, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, einen Weg zurück in einen geregelten Alltag zu bieten“, fasst Dr. Eva Maria Haberl die Aufgaben der Psychosomatik der Kinderklinik zusammen.

Weitere Informationen zur Psychosomatik:

Die Psychosomatik als Teilgebiet der Medizin beschäftigt sich mit den psychologischen, biologischen und sozialen Bedingungen von Erkrankungen. Körperliche Beschwerden haben ihre Ursache in eigentlich seelischen (psychischen) Zuständen, Beschwerden, Belastungen oder auch schwerwiegenden psychischen Krankheiten. In vielen Fällen gehen die Beschwerden von selbst vorbei oder werden kaum beachtet, bei einigen Menschen bleiben sie jedoch bestehen und werden chronisch, ohne dass ein direkter Zusammenhang zu den eigentlich seelischen Ursachen noch wahrgenommen werden kann. Die Beschwerden bei solchen psychosomatischen Erkrankungen sind sehr unterschiedlich.

Beispiele für „Auslöser“ psychosomatischer Beschwerden bei Kindern oder Jugendlichen können u.a. Partnerschaftskonflikte oder Trennung der Eltern, Probleme in Kindergarten / Schule, Konflikte zwischen Eltern und Kind oder psychische / psychiatrische Störungen oder schwere Erkrankungen eines Elternteils oder eines Geschwisterkinds sein. 

Patienten mit psychosomatischen Beschwerden und Erkrankungen können in der stationären Psychosomatik der Kinderklinik am Klinikum Weiden betreut werden. Nicht behandelt werden hier akute Suizidalität, Psychosen oder schwere Störungen des Sozialverhaltens.